Agiler Einkauf 2018:

Beschaffung im Zuge der Digitalen Transformation

© Mimi Potter -Fotolia


Die Motivation

"Agile Methoden gewinnen in den Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Nicht nur in der IT-Entwicklung spielen Methoden und Prinzipien aus den Bereichen „Scrum“, „IT-Kanban“ und „Design Thinking“ eine immer gewichtigere Rolle. Vor dem Hintergrund von Herausforderungen und Chancen durch Digitalisierung, Globalisierung, Industrie 4.0 wird sich diese Entwicklung weiter verstärken. Gleichzeitig führen verschiedene Prinzipien wie rollierende Planung („Sprint Planning“), Auslieferung von Inkremente („potentially deliverable products“) und selbstorganisierte Teams zu neuen Konstellationen, die sich nicht ohne Weiteres mit den tradierten Ansätzen des Einkaufs optimal berücksichtigen lassen. („Festpreis-Problematik“, Werkvertrag, …). Die Erhebung untersucht, wie Einkaufsbereiche mit diesen Herausforderungen umgehen und wo Handlungsfelder, Chancen, Herausforderungen gesehen werden."

Prof. Dr. Ayelt Komus


Ziel der Erhebung

Ausgangspunkt der Erhebung ist die Erkenntnis, dass die digitale Transformation und die zunehmende Verbreitung agiler Methoden wie Scrum, Kanban und Design Thinking zu grundlegenden Veränderungen bei der Erwartungshaltung und Zielsetzung bezüglich der Leistungen des Einkaufs führen. Außerdem wird davon ausgegangen, dass digitale Transformation und Agile Methoden zu grundlegenden Veränderungen in den Beschaffungsbereichen selbst sowie in der Zusammenarbeit mit Fachbereichen und Lieferanten führen werden. Die Erhebung untersucht, inwieweit die Thematik im Einkauf "angekommen" ist, welche Herausforderungen gesehen werden und welche Ansätze zum Management der Thematik aktuell vorherrschen. Die Erhebung ist die Nachfolgeerhebung zu „Agiler Einkauf“ aus dem Jahr 2016/2017.


Ergebnisse der Erhebung/ Highlights


Einkauf und die Digitale Transformation & Industrie 4.0
  • Der Einkauf wird mehrheitlich als wichtiger Erfolgsfaktor für die Digitale Transformation eingeschätzt
  • Für die Mehrzahl der Teilnehmer bedeutet Digitalisierung in erster Linie die digitale Abbildung des Einkaufsprozesses -nur 8,6 Prozent lehnen dies stark ab.
  • Erst 12,5% der Teilnehmer nutzen bereits durchgehend digitale Systeme für ihren Einkaufsprozess.
  • „Big Data“ hat aus Sicht der Teilnehmer den größten Einfluss auf die zukünftige Arbeit des Einkaufs.
  • Für rund 50% der Befragten gleichen sich die Veränderungen und Herausforderungen von Industrie 4.0 und agiler Methoden.
Der Einkauf und die agilen Methoden
  • Agile Methoden sind inzwischen nur noch für knapp 4% der Teilnehmer „völlig unbekannt“.
  • Bei zwei Drittel der Teilnehmer werden im Unternehmen agile Methoden bereits angewandt.
  • Fast zwei Drittel der Teilnehmer erwarten, dass agile Methoden Aufgaben und Erfolgsfaktoren des Einkaufs grundlegend verändern.
  • Bereits 9% der teilnehmenden Einkäufer nutzen heute schon agile Methoden und Techniken im Einkaufsprozess selbst.
  • Weiterhin sieht die deutliche Mehrheit der Befragten den Einkauf als nicht gut aufgestellt bezogen auf Herausforderungen und Chancen agiler Methoden.
  • Nur knapp ein Drittel der teilnehmenden Einkäufer bewerten die Zusammenarbeit mit dem Fachbereich bei agilen Projekten mit mindestens „gut“.
  • Bei den Teilnehmern aus den Fachbereichen ist die Zahl derer, die die Zusammenarbeit mit dem Einkauf bei agilen Projekten mit mindestens "gut" bewerten, mit 12,5% noch geringer.
  • Bei der Mehrheit der Teilnehmer beginnt der Einkauf den Wandel (durch agile Methoden) vorsichtig zu unterstützen bzw. mitzugestalten.
  • Die Mehrzahl der Teilnehmer sieht in der Akzeptanz der Veränderungen ("Wollen") bei den Mitarbeitern die größte Herausforderung.
  • Im Beschaffungsprozess sehen die Teilnehmer in der Phase "Ermittlung des Beschaffungsbedarfs" die weitreichendsten Veränderungen durch agile Methoden.
  • Trotz der oft angeführten Schwierigkeiten bei der Nutzung eines klassischen Festpreises in agilen Projekten, wird dieser in diesem Kontext ähnlich oft genutzt wie „Time & Materials“.
  • Keine der bekannten Vertragsformen bei agilen Projekten konnte bezüglich Zufriedenheit und Erfolg überzeugen. Interessanterweise ist die wahrgenommene Zufriedenheit mit dem „klassischen Festpreis“ ähnlich hoch wie bei „Time & Materials“.
  • Mehr als die Hälfte der Teilnehmer plant, aufgrund des Wandels durch agile Methoden, den Einkauf grundlegend neu aufzustellen.

Erkenntnisse / Empfehlungen für den agilen Einkauf

Aus den Survey-Ergebnissen leiten sich 10 Empfehlungen ab die Chancen und Herausforderungen von Agilisierung und Digitalisierung zielgerichtet anzugehen:

1. Grundlagen vermitteln

Jeder Mitarbeiter im Team sollte verstehen, wie grundlegend die Veränderung ist, welche die fachliche Grundidee ist, welche grundlegenden Implikationen dies für den Einkauf hat und schließlich, dass diese Entwicklungen wertneutral sowohl Chancen als auch Risiken bedeuten.

→ Vermitteln Sie Grundlagen bzgl. agiler Methoden, Digitaler Transformation und ggf. Industrie 4.0!

 

2. Spezifische Situation verstehen

Eruieren Sie im Dialog mit den verschiedenen Unternehmensbereichen, wie und in welchem Umfang die agile / digitale Transformation die Prozesse und die Anforderungen an den Einkauf verändern wird.

→ Verschaffen Sie sich Klarheit über die spezifische Situation in Ihrem Unternehmen!

 

3. Zweckmäßige Differenzierung

Grundvarianten des Einkaufsprozesses und der Einkaufstrategien sollten unter anderem neben dem zu beschaffenden Gut/der zu beschaffenden Leistung Ihre tatsächliche Einkaufsmacht, wechselseitige Abhängigkeiten mit dem Lieferanten, sowie die Komplexität und Eignung des Gewerkes/der Leistung zur Beschreibung, vorab berücksichtigen.

→ Stellen Sie sicher, dass die Differenzierung in den Einkaufsprozessen und Strategien zweckmäßig gelebt wird!

 

4. Machen Sie dem Fachbereich aktiv Angebote

 Der Fachbereich wird nicht von alleine auf Sie zukommen. Als Einkäufer werden Sie häufig als potentieller Bremsklotz und Ihre Maßnahmen als Schikanen wahrgenommen. Diskutieren Sie mit den Fachbereichen, wo Ihre Hilfe benötigt wird und zeigen Sie den Fachbereichen in welchen Aspekten Sie potentiell noch mehr unterstützen können.

  Gehen Sie auf die Fachbereiche zu – Schaffen Sie Angebote zu einer zielorientierten Unterstützung.

   

5. Eng zusammenarbeiten

Agile Methoden leben von kleinen Schritten, kritischer Prüfung und Lernkurven. Dies gilt für alle Bereiche: Produkte, Methoden, Techniken und Technologien. Dies alles basiert auf einer engen und kurz-getakteten Interaktion. Beherzigen Sie dies auch bei der Ausrichtung auf dieses neue Thema. Suchen Sie gemeinsam nach einem für Ihre Organisation/Projekte passenden Weg.

→ Arbeiten Sie eng zusammen – vor allem mit Fachabteilung und Rechtsabteilung!

 

6. Skills und Vertragsarchitekturen entwickeln

Mit agile Methoden verändert sich die Bedeutung bestimmter Skills in Verhandlung, Vertragsabschluss und Begleitung. Neue Vertragsarchitekturen und Vorgehensweisen müssen entwickelt werden. Auch wenn jede agile Aktivität einzigartig ist. Entwickeln Sie Lösungsansätze. Üben Sie. Beobachten Sie. Lernen Sie.

→ Entwickeln Sie geeignete Skills und Vertragsarchitekturen!

 

7. Prozesse für agilen Einkauf fit machen

Agile Methoden und Industrie 4.0 sind schneller und wertorientierter als klassische Methoden. Agile Prozesse verändern die Rolle und den typischen Schwerpunkt des Einkaufs von einer einmaligen Einkaufsaktivität vor der Leistungserbringung hin zu einer nachhaltigen Begleitung auch während der Leistungserbringung. Stellen Sie sicher, dass Ihre Prozesse in der Beschaffung mithalten können. Schaffen Sie die Basis damit Durchlaufzeit, Steuerungssicherheit und Transparenz in den Prozessen des Einkaufs der Realisierung der Vorteile agiler Methoden nicht im Weg stehen.

→ Machen Sie Ihre Prozesse fit für den agilen Einkauf!

 

8. Profile der Mitarbeiter reflektieren

Überlegen Sie, welche neuen Anforderungen die neuen Prozesse und Erfolgsfaktoren des Einkaufs bedeuten. An vielen Stellen werden veränderte Fähigkeiten und Neigungen an Bedeutung gewinnen. Reflektieren Sie vor diesem Hintergrund die Profile Ihrer Mitarbeiter und Kollegen. Überprüfen Sie die Personalentwicklungsmöglichkeiten und Auswahl-/Förderungs-Kriterien.

→ Reflektieren Sie die Persönlichkeitsprofile, Fähigkeiten und Neigungen Ihrer Mitarbeiter!

 

9. Agile Methoden nutzen

Agile Methoden haben sich nicht ohne Grund so breit durchgesetzt. Innovative Rechts- und Einkaufs-Abteilungen in Unternehmen nutzen bereits heute die Chancen agiler Methoden und Methodenelemente. Wirklich optimal unterstützen Sie die Beschaffung im agilen Kontext nur dann, wenn Sie die Vorteile agiler Methoden auch für sich nutzen.

→ Nutzen Sie agile Methoden auch in Ihren Prozessen!

 

10. Heute starten!

Agile Methoden bedeuten die kontinuierliche Weiterentwicklung, kontinuierliche Verbesserung. Es gibt also keinen Grund nicht bereits heute zu beginnen und den Lernprozess zu starten. Vermeiden Sie Paralyse durch Analyse – gerade im agilen Kontext.

→ Starten Sie heute!


Initiatoren & Durchführung

Die Erhebung wurde durchgeführt von Prof. Dr. Ayelt Komus von der Hochschule Koblenz und Maximilian Kassner von der Wirtschaftuniversität Wien. Die Online-Umfrage fand im Zeitraum vom 05.02.2018 bis 30.04.2018 statt.


Kooperationspartner



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Welche Konsequenzen Agile Methoden und Digitalisierung für den Einkauf haben und wie der Einkauf diesbezüglich agieren sollte ist Gegenstand unseres Intensiv-Workshop „Agiler Einkauf – Agile Vertragsgestaltung“